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Fragen-Fass

Im Fragen-Fass sammeln wir interessante Fragen und Antworten aus den Live-Streams der Babbel Bubble. Die Antworten sind wie immer: fresh aus der Forschung, authentisch und ohne Fachbegriffe.

Die aktuellen Antworten stammen aus den Sessions in Halle und wurden von insgesamt fünf Expertinnen und Experten der Kopernikus-Projekt beantwortet: Veronika Barta, ISES Institut für Nachhaltige Energiesysteme, Hochschule München (ENSURE); Bastian Bauhaus, Stadtwerke Kiel (ENSURE); Dr. Anna Billerbeck, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI (Ariadne); Dr. Till Gnann, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI (Ariadne); Dr. Janick Meyer, Siemens (ENSURE).

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Häufige Fragen zur Energiewende

Hier gibt es verständliche Antworten auf häufige Fragen zu Stromnetzen, Netzausbau, erneuerbaren Energien, Elektromobilität, Kosten und gesellschaftlichen Aspekten der Energiewende.

Stromnetz im Wandel: Warum sich unser Stromnetz verändert – und was das für die Zukunft bedeutet

Der Aus- und Umbau des Stromnetzes ist eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. In diesem Abschnitt erfahren Sie, warum sich das Stromnetz verändern muss, welche technischen und organisatorischen Herausforderungen damit verbunden sind und welche Rolle neue Technologien dabei spielen.

Warum müssen wir unsere Netze ausbauen?
Das ist eine sehr pauschale Frage. Ich würde sagen, wir müssen auch viel mehr digitalisieren, viel mehr messen, viel mehr flexibilisieren. Ich denke, es muss ein Mix aus allen Technologien sein, um die Kosten möglichst gering zu halten und das Netz insgesamt möglichst effizient zu betreiben. Es ist natürlich schon so, dass viele Netze damals unter der Prämisse designt worden sind „ich habe ungefähr diese zu erwartende Last und ich habe meine großen Kraftwerke und die Energie fließt immer von den großen Kraftwerken über das Transportnetz zu den Verteilnetzen runter“. Und die Solarparks, die jetzt auf der Mittelspannungsebene angeschlossen werden, die Windräder, selbst die Solarzellen auf den Häuserdächern, sorgen natürlich schon dafür, dass sich Energieflüsse anders verteilen als ursprünglich geplant. Speziell wenn wir sehr viel Solareinspeisung haben, gibt es jetzt einen Energiefluss in die entgegengesetzte Richtung. Und das kann so viel sein, dass die Kabel darauf gar nicht ausgelegt waren. Dadurch sind teilweise auch die Transformatoren überlastet und es muss abgeschaltet werden.
Macht der Netzaus- und -umbau das Netz unsicherer?
Viele Partner im ENSURE-Projekt bemühen sich, unsere Netze weiterhin sicher zu gestalten. Wir bauen viel um, es verändert sich viel aber wir stecken auch viel Arbeit und Zeit darein, das Netz weiterhin sicher zu gestalten. Man kann das natürlich nicht immer garantieren – vor allem wenn neue Techniken Einzug halten. Aber wir haben in Deutschland noch keinen größeren Ausfall erlebt. Das nehmen wir immer so als gegeben hin. Aber wir sollten eigentlich sehr zufrieden darüber sein und auch relativ stolz, dass wir in Deutschland so ein gutes Netz haben.
Was würden Sie sagen, sind gerade die größten Herausforderungen, mit denen Sie als Verteilnetzbetreiber zu kämpfen haben?
Der Netzausbau ist ein großes Thema. Das liegt aber vor allem auch daran, dass wir ein städtischer Netzbetreiber sind. Da haben wir also viel versiegelte Fläche und es ist sehr aufwendig, die Kabel zu erneuern – wir müssen sehr viel buddeln aber eben auch Straßen und Gehwege anschließend wiederherstellen. Und dann auf der anderen Seite die schiere Anzahl der Anfragen, die gerade auf uns hereinprasselt. Die Energiewende ist in vollem Gange. Photovoltaikanlagen werden bei uns hundertfach pro Woche angefragt. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sich an der Energiewende beteiligen. Und das müssen wir natürlich abarbeiten. Deswegen müssen wir uns auch da fit machen, dass wir solche Anfragen schneller bearbeiten können aber gleichzeitig natürlich keine Fehler machen. Denn niemand möchte riskieren, dass das Netz ausfällt.
Was sind denn bei euch als Netzbetreiber gerade die drängendsten Fragen?
Eine große Frage ist bei uns immer „wie bzw. wann wird die Energie genutzt“? Wir sprechen in der Netzplanung von den sich einstellenden Gleichzeitigkeiten. Früher wurde das Bild von einer Zahnarztallee gezeichnet: Alle Zahnärzte wohnen in einer Allee, fahren ein Elektrofahrzeug, kommen abends gleichzeitig nach Hause und wollen alle sofort ihr Auto laden, wodurch im Stromnetz eine große Nachfrage entsteht – eine Nachfrage, für die das Netz eben nicht ausgelastet ist. Was wir uns nun genauer ansehen: Gibt es diese Gleichzeitigkeiten denn wirklich? Oder verschiebt sich die Nachfrage der einzelnen Verbraucher zeitlich und räumlich nicht von alleine – weil eben nicht alle E-Autos in derselben Straße geladen werden und nicht alle Verbraucher gleichzeitig nach Hause kommen. Das sind so Dinge, die wir uns forschungsseitig eben gerade anschauen. Es gibt aber auch ganz weltliche Fragestellungen, zum Beispiel wie wir rein betrieblich diese große Anzahl an Anfragen abarbeiten können. Denn viele Leute haben einen Informationsbedarf, viele Leute stellen aber auch ein Netzanschlussgesuch – wollen also zum Beispiel eine private Ladesäule installieren. Und da überlegen wir uns, wie wir das beschleunigen können. Also wie können wir sichere Verfahren entwickeln, die Planungsverfahren beschleunigen aber gleichzeitig keinen Blackout riskieren. Dafür überlegen wir uns in ENSURE, wie wir intelligent und effizient Monitoring in unsere Niederspannungsnetze einbauen können. Damit wir diese sehr hohen Sicherheitsmagen, die man bei der Berechnung solcher Anschlussgesuche verwendet hat, ein Stück kleiner machen können. So können wir die Installation von mehr Anlagen erlauben und uns gleichzeitig sicher sein, dass es dabei nicht zu Problemen kommt.
Was sind die größten Faktoren, die Wandeltreiber sind?
Seit vielen Jahren ist das die Photovoltaik. Das mit den Balkonkraftwerken jetzt nochmal mehr geworden – zumindest was die Anzahl angeht, nicht unbedingt die Leistung. Die Elektromobilität ist in jedem Fall ein großer Treiber. Aber die läuft momentan ja ein bisschen schleppend. Was wir aber gerade ganz akut als Treiber feststellen, sind die Wärmepumpen – also der ganze Bereich der Wärmewende. Da kommen wir wieder zu den Gleichzeitigkeiten – also der Frage, wie nutzen die Leute ihre Energie. Beim Auto ist da eben sehr viel Varianz: Die Leute kommen nicht zwangsläufig gleichzeitig nach Hause, die Ladeleistungen sind sehr hoch – das heißt, die Ladezeiten sind in der Regel relativ klein und es gibt kaum Überlappungen. Die Herausforderung bei den Wärmepumpen ist: Wenn jetzt tatsächlich alle Wärmepumpenbesitzer in einer Straße wohnen, laufen die Wärmepumpen in der Regel zeitgleich, da das Wetter eben innerhalb der Straße gleich ist. Da haben wir also eine sehr, sehr hohe Gleichzeitigkeit. Die Leistung pro Wärmepumpe ist ein bisschen kleiner als bei den Ladesäulen aber die Gleichzeitigkeit ist eben deutlich höher, weswegen der entsprechende Lastbeitrag eben auch höher ist. Dafür müssen wir eben schauen, wie die Netze auszulegen sind.
Welche Herausforderungen bringt die Energiewende für das Stromnetz?
Klassisch haben wir ganz viele Themen in den oberen Spannungsebenen gelöst. Bildlich gesprochen ist der Strom ja bisher von oben nach unten geflossen – also von den großen Kraftwerken hin zu den Kunden. Durch die Energiewende, diese Transformation die wir dabei durchleben, schieben wir immer mehr Themen in die unteren Spannungsebenen. Das heißt, wir haben immer mehr Erzeugung in der Mittel- und Niederspannung. In der Mittelspannung sind das zum Beispiel einzelne Windkraftanlagen – ganze Windparks bewegen sich in der Hochspannung – und in der Niederspannung sind es zum Beispiel die Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Aber es ist eben nicht nur die Erzeugung, die wir auf die unteren Spannungsebenen verlagern. Es findet auch immer mehr Verbrauch in der Niederspannungsebene statt, zum Beispiel in Form von privaten Ladesäulen. Das sind Dinge, die wir so vorher noch nicht mit dem Stromnetz gemacht haben. Das bringt ganz eigene Herausforderungen mit sich. Wir müssen jetzt nicht nur auf Systemseite – also im Übertragungsnetz – schauen, dass wir Verbrauch und Erzeugung besser aufeinander abgestimmt bekommen, um die Frequenz zu halten und die Stabilität zu gewährleisten, sondern solche Aufgaben im Kleinen dezentral auch in den niedrigeren Spannungsebenen zu erledigen haben.
Was ist eine Spannungsebene?
Wir haben verschiedene Ebenen in unserem Stromnetz. Diese werden aufgeteilt, weil sie verschiedene Funktionen haben. Ganz unten – da komme ich sozusagen her – haben wir die Verteilebene. Das ist sozusagen die letzte Meile, die den Strom tatsächlich bis zum Kunden bringt. Das ist die Niederspannungsebene. Da haben wir eine relativ kleine Spannung – größer als im Haushalt aber eben noch relativ klein. Wir versorgen damit straßenweise die Häuser. Dann gibt es eine Umspannung hoch zur Mittelspannung. Da werden dann schon ganze Straßenverbünde oder auch Quartiere bis hin zu ganzen Stadtvierteln versorgt. Von da aus geht es über sogenannte Umspannwerke eine Ebene weiter nach oben, zur Hochspannung. Dort verbinden wir ganze Stadtteile oder größere Regionen einer Stadt miteinander. Von dort aus geht es über die Übergabepunkte ins Höchstspannungsnetz. Das liegt dann vor allem im Verantwortungsbereich der Übertragungsnetzbetreiber. Damit werden ganze Regionen und Städte miteinander verbunden – also auch wirklich schon Nord- und Süddeutschland.
Spielt bei den Verteilnetzbetreibern die Sektorkopplung auch eine Rolle?
Ja, da ist ja mit der kommunalen Wärmeplanung gerade ein riesiger Transformationsprozess angestoßen worden. Da haben wir einen großen Schritt gemacht, den wir auch als Stadtwerke Kiel intensiv mit begleitet haben. Wir sind da mittlerweile so aufgestellt, dass wir mehrere Kollegen haben, die sich eben nicht nur intensiv für beispielsweise Stromthemen engagieren, sondern sozusagen immer zwei Rollen haben und auch gleich die Wärme mitdenken. Denn wir müssen es mittlerweile integriert betrachten. Wenn in Zukunft tatsächlich viele Leute auf die Idee kommen mit Strom zu heizen, erhöht sich die Last, die unser Niederspannungsnetz zu versorgen hat. Weswegen wir dann auch wirklich schauen müssen, wer möchte wann wie heizen, wie schnell kommt das und wie viele werden das dann wohl – um dann, von der Wärme aus gedacht, unser Stromnetz entsprechend anzupassen.
Denken die Verteilnetzbetreiber bei der Netzplanung auch gleich schon an Elektrolyseure und wie Sie diese einbinden?
Ja, in Kiel haben wir ja ein H2-ready Gaskraftwerk. Das heißt, wir könnten tatsächlich von fossilem Erdgas auf Wasserstoff in Teilen umschwenken. Deswegen kommt das Thema Elektrolyseur bei uns auch immer wieder mal auf. Viel konkreter sind bei uns aber tatsächlich die Bestrebungen, große Wärmepumpen zu installieren. Diese sollen über Flusswärme das Fernwärmenetz speisen. Solche Projekte entstehen gerade an vielen Orten in Deutschland und Europa, um den Bedarf an fossilen Energieträgern deutlich zu reduzieren.
Was ist aktuell die größte Herausforderung bei der Flexibilisierung im Niederspannungsbereich?
Ich würde sagen, die ganze Infrastruktur zielführend zu gestalten. Es gibt verschiedene Ansätze zur Flexibilisierung in der Niederspannung – also bei den privaten Haushalten: Das eine ist die Optimierung der eigenen Stromproduktion und des eigenen Stromverbrauchs; auf der anderen Seite gibt es die netzorientierte Steuerung. Und dafür benötigen wir erstmal ein Monitoring, um zu verstehen, was da passiert. Da sind wir ja momentan schrittweise dran – Stichwort Ausbau von Smart Meter. Aber eben auch Digitalisierung von Ortsnetzstationen, damit überhaupt erstmal die Messdaten zum Netzzustand da vorliegen. Die Schwierigkeiten, die wir jetzt in unserem Feldversuch gesehen haben, lagen bei der Kommunikationsinfrastruktur. Da passiert viel über den Mobilfunk. Und vor allem in ländlichen Gebieten ist der nicht so gut ausgebaut. Dann befinden sich die Geräte meistens im Keller, in einem Zählerschrank, der metallisch abgeschirmt ist. Das heißt, hier ist es schon eine Herausforderung eine gute Kommunikationsverbindung zu haben, damit ich in Echtzeit agieren kann. Aber auch die Datenmenge, das Datenhandling im Hintergrund, ist herausfordernd und ein Thema, an dem gerade gearbeitet wird. Außerdem hat Datenschutz in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert. In anderen Ländern ist das nicht so. Daher gibt es dort teilweise andere Lösungen, die auch schon länger etabliert sind.

PV-Anlagen, Offshore-Wind und Wärmepumpen: Wie Netzbetreiber das Stromnetz stabil halten

Erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Windkraft speisen zunehmend Strom ins Netz ein – manchmal mehr, als gerade gebraucht oder transportiert werden kann. Hier erklären wir, warum es zu Einspeisebegrenzungen kommen kann, wie Netzbetreiber in kritischen Situationen reagieren und welche Auswirkungen das auf das lokale Netz hat.

Merkt man die Veränderungen durch zugeschaltete PV-Anlagen im örtlichen Netz?
Ja, tatsächlich. Im Projekt ENSURE beschäftigen wir uns ja viel mit der Überwachung von Niederspannungsnetzen. Wir stellen immer mehr fest, dass sich die Kunden gegenseitig versorgen. Gerade zu den Mittagszeiten und Gegenden mit vielen Dach-PV-Anlagen, versorgen sich die Straßenzüge teilweise schon untereinander. Die Leistung, die dann im Niederspannungsnetz über unseren Transformator geht, fällt dann häufig tatsächlich auf null. Das geht soweit, dass es – bei einer geringen Abnahme im Niederspannungsnetz – sogar zu Rückspeisungen kommt. Also, dass der Lastfluss, der originär von oben nach unten – also von der Hoch- zur Niederspannung geht – sich dann umdreht. Wenn wir also viel Erzeugung in der Niederspannung haben, wird ins Mittelspannungsnetz und teilweise sogar von dort weiter ins Hochspannungsnetz eingespeist
Ich habe eine PV-Anlage installiert, mein Netzbetreiber hat jedoch die Produktionsmenge ins Netz bei 80 Prozent eingeschränkt. Was könnte der Grund dafür sein?
Unsere Netze – auch in der Niederspannung – sind nie darauf ausgelegt worden, dass es eine Einspeisung ins Netz gibt. Sondern eher darauf, einen einigermaßen bekannten Verbrauch an Energie vom Kraftwerk zum Verbraucher sicherzustellen. Umso mehr Personen nun PV-Anlagen auf ihre Dächer packen – was gut ist für die Energiewende – umso unberechenbarer ist es für den Netzbetreiber, ob jetzt Energie „von oben nach unten“ oder „von unten nach oben fließt“. Und er sieht auch nicht ob meine PV-Anlage gerade zum Beispiel meine Nachbarn versorgt und wie stark deswegen zum Beispiel das Kabel ausgelastet ist. Deswegen gehen Netzbetreiber momentan her – solange sie noch nicht richtig messen können – und ziehen sozusagen Sicherheitsmargen ein. Sie limitieren auf ein gewisses Niveau, damit sie wissen, „in diesem Bereich ist mein Netz noch stabil“. Und das ist ja auch etwas woran wir forschen: Zustandserkennung, Messgeräte, Algorithmen. Denn wir können aus unseren Netzen noch viel mehr rausholen. Es ist viel günstiger, sie zu digitalisieren, sie zu automatisieren als immer weiter auszubauen – wenngleich der Ausbau trotzdem notwendig ist, um genau dieses Problem anzugehen. Aber es lohnt sich, hier mal beim Netzbetreiber nachzufragen, um den genauen Grund herauszufinden.
Warum kann ich den produzierten Strom meines Balkonkraftwerks nicht ins Netz einspeisen?
Das ist ein etwas kompliziertes Feld, da es ein bisschen von den individuellen örtlichen Faktoren abhängt. Balkonkraftwerke haben einen zweipoligen Stecker – einen Schuko-Stecker – der in die Steckdose kommt. Die Kraftwerke kann man gut verwenden und sie senken schon mal den Eigenverbrauch. Das ist schon mal eine sehr einfache Anwendungsmöglichkeit. Man darf dabei nur nicht vergessen, dass wir ja ein dreiphasiges Netz haben. Also wir haben eigentlich drei Phasen, die ins Haus gehen. Und so ganz große Verbraucher – wie den Herd – schließen wir ja auch gerne dreiphasig an, weil es das Netz etwas symmetrischer belastet. So ein Schuko-Stecker hat jetzt aber nur eine Phase. Das heißt, ich senke auch den Stromverbrauch nur in einer Phase. Und da ich nicht unbedingt weiß, welcher Raum wo angeschlossen ist, muss man das eigentlich messen. Deswegen sind „richtige“ PV-Anlagen auf dem Dach tatsächlich besser, weil ich die über einen Umrichter auch dreiphasig anschließe. Jetzt kommt es aber darauf an, ob ich einen Zähler für das gesamte Gebäude habe oder ob jede Wohnung einen Zähler hat. Denn wenn ich nur einen Zähler für das gesamte Gebäude habe, kann eigentlich nur der Vermieter eine PV-Anlage installieren. Natürlich ist dann aber die Frage, wie das auf alle Mieter umgelegt wird. Es ist aber auch so, dass wir momentan so viel Solar-Einspeisung haben, dass die Netzbetreiber damit ein bisschen überfordert sind. Und während der Einspeisezeiten ist der Strompreis auch tatsächlich relativ günstig. Das heißt: Momentan lohnt es sich finanziell eigentlich mehr, den Eigenbedarf zu senken als Strom ins Netz einzuspeisen.
Es wird ja momentan sehr viel offshore zugebaut, wie händeln Sie diesen ganzen Zubau im Netz?
Das muss man ein bisschen differenziert betrachten – je nach Spannungsebene. Die großen offshore Windparks sind schon eher im Bereich der Gigawattleistung, die dann im Höchstspannungsnetz beim Übertragungsnetzbetreiber anschließen. Das sind alles Projekte mit einer sehr langen Vorlaufzeit. Da gibt es dann große Konsortien, die darüber beraten, wie man diese großen Leistungen am besten ans Land anbinden kann. Bei den kleineren Anlagen – also in den tieferen Spannungsebenen – sieht das etwas anders aus. Dort dürfen wir Anschlussgesuche nicht ablehnen. Das heißt, wenn jemand neuartige Verbraucher – Wärmepumpen oder Ladesäulen – anschließen möchte, dann dürfen wir das nicht ablehnen. Wir könnten sie eine Zeit lang verzögern, falls ein Netzausbau für dieses Gesuch notwendig wäre. Es ist aber auch so, dass wir die Leistung der neuartigen Verbraucher in Teilen reduzieren dürfen. So gewinnen wir Zeit, um den Netzausbau tatsächlich umzusetzen. Bei diesem Vorgehen sind wir auf die Anfragen unserer Kunden angewiesen. Deswegen wird es für uns gerade immer wichtiger, das Verhalten unserer Kunden zu prognostizieren: Wann werden wo welche Kunden welche Anlagen anschließen wollen? So versuchen wir, dort schon den Netzausbau anzugehen.

Kosten, Strommarkt und Förderung: Wie Energie in Deutschland bezahlt wird

Die Energiewende wirft viele Fragen zu Kosten, Strompreisen und Fördermechanismen auf. In diesem Bereich geht es darum, wie der Umbau des Stromsystems finanziert wird, wie der Strommarkt funktioniert und welche Anreize und Fördermodelle den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen – in Deutschland und im internationalen Vergleich.

Werden die Kosten für den Umbau unseres Stromnetzes auf die Verbraucher umgelegt?
Ja, das ist jetzt ja auch schon so, dass es einen Umlagemechanismus gibt. Man kennt das ja auch von der Maut: Wenn Straßen gebaut werden, muss man für manche Abschnitte dann Geld bezahlen. Das ist im Stromnetz auch so und wird auch in Zukunft so sein, das sind die Netzentgelte. Dabei wird der Umbau des Stromnetzes schon aus den heutigen Netzentgelten finanziert – solidarisch über alle Stromanschlüsse. Extrakosten nur für den Umbau des Stromnetzes wird es nicht geben. Was auf einige Verbraucherinnen und Verbraucher zukommen kann, sind höhere Kosten, sobald ein größerer Netzanschluss notwendig wird. Wenn also zum Beispiel eine Ladesäule, eine Wärmepumpe oder eine Photovoltaikanlage installiert werden und dafür größere Kabel und Sicherungen benötigt werden.
Warum werden Förderungen in anderen Ländern anders ausgestaltet als in Deutschland?
Viele Energiefragen sind schon europäisch gesteuert. Meistens gibt die EU-Kommission dabei Ziele vor. Die Ausgestaltung der Umsetzung und die Festschreibung in den nationalen Gesetzen liegt jedoch bei den einzelnen Staaten. In vielen Ländern in Europa hat man ähnliche Förderprogramme für Erneuerbare Energien: Wenn man Strom aus Erneuerbaren erzeugt, bekommt man eine staatliche Unterstützung dafür. Das war eine Art Erfolgskonzept, weswegen das sehr viele Staaten umgesetzt haben. Da gibt es also sehr viele Ähnlichkeiten zwischen den Ländern. Zum Anreizen regionalerer Flexibilität setzen viele Länder das Konzept „Strompreiszonen“ um: Die Strompreise sind nicht im gesamten Land gleich, sondern unterscheiden sich regional. Deutschland favorisiert dieses Konzept hingegen nicht so sehr – hier gibt es nur eine einzige Strompreiszone. Das Konzept hat viele Vor- und Nachteile, die diskutiert werden. Entso-E, der europäische Übertragungsnetzbetreiber, hat sich für Strompreiszonen in Deutschland ausgesprochen. Man diskutiert auch darüber, wie viele Strompreiszonen für Deutschland sinnvoll wären. Manche reden von 2 Strompreiszonen, andere sogar von 30. Je mehr Strompreiszonen es gibt, umso größer ist der organisatorische Aufwand, aber umso mehr könnte man auch regional stärkere Anreize setzen. Für Standortentscheidungen – zum Beispiel von energieintensiver Industrie – könnten Strompreiszonen sehr gute Anreize setzen. Aber es gibt eben auch Nachteile: Man muss beispielsweise stärker steuern und viel kommunizieren, denn man muss zwischen den Zonen ja auch handeln können. Da bleibt die Frage nach dem Optimum: Was wäre notwendig für die gewünschten Anreize und wie können wir gleichzeitig den Aufwand rechtfertigen? Dabei muss man auch bedenken, dass eine potenzielle Einteilung in Strompreiszonen nicht nur auf Deutschland einen Einfluss hätte, sondern auch auf europäische Mitgliedstaaten und unsere Nachbarn. Durch Strompreiszonen in Deutschland würden beispielsweise in Osteuropa die Strompreise stark ansteigen. Deswegen sollte diese Frage auch europäisch diskutiert werden. In dem Entso-E-Bericht, der auch öffentlich zugänglich ist, wurden verschiedene Szenarien zur Aufteilung in Strompreiszonen berechnet. Dort sieht man, dass gerade in Ost- und Südeuropa die Strompreise stark steigen könnten. Das liegt unter anderem an der unterschiedlichen Verfügbarkeit von Potenzialen für Wind- und Solarenergie. Dadurch entsteht eine Benachteiligung der Regionen, die keinen günstigen Strom erzeugen können. Aber die Kollegen von ENSURE sind da tiefer im Thema.
Worauf zielt das „Strommarkt-Design“ ab?
Das Ziel ist es, das Marktdesign so auszugestalten, dass es funktioniert und kostengünstig ist. Dass also zum Beispiel Elektrolyseure dort laufen, wo viel Überschussstrom vorhanden ist und dass der Verbrauch an die Erzeugung angepasst wird. Das versucht man über Anreize und Regulation. Dabei muss man immer dynamisch auf das aktuelle Geschehen eingehen. Dynamische Strompreise oder dynamische Netzentgelte werden aktuell sehr stark diskutiert. Für Ladesäulen und Wärmepumpen im privaten Haushalt gibt es bereits dynamische Strompreise. Dort können Leute also schon von günstigeren Strompreisen profitieren – zum Beispiel, wenn sie flexibel ihr E-Auto laden oder ihre Wärmepumpe außerhalb der Stoßzeiten laufen lassen und mit einem Wärmespeicher kombiniert in der Mittagszeit das Wasser aufheizen.
Lohnt sich grüne Energie im Vergleich zu konventioneller Energie?
Ja, auf jeden Fall. Für Deutschland rentiert sich die Energiewende sehr: Wir haben dadurch die Möglichkeit, eine höhere Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung in Deutschland zu generieren. Wir investieren in die Zukunft, in neue Technologien, in Innovationen. Das ist immer gut für die Gesamtwirtschaft in Deutschland und auch in Europa. Wir haben europäische und globale Ziele, für deren Erreichung wir die Transformation voranbringen müssen. Für Städte kann grüne Energie ebenfalls sehr hilfreich sein. Es gibt viele Städte mit ambitionierten Klimazielen. Diese können ihre lokale Wirtschaft, ihre lokale Wertschöpfung dadurch ankurbeln. Die Investition in ÖPNV und Grünflächen kann zudem zusätzlich die Wertschöpfung in der Stadt steigern und das gesamte Stadtklima positiv beeinflussen. Und auch für den Einzelnen kann sich der Wechsel zu grüner Energie lohnen. Zum Beispiel kann eine private Investition in eine PV-Anlage für mich auch eine Wertschöpfung sein, wenn ich dadurch geringere Stromkosten habe.
Welche Anreize gibt es für Stromanbieter, Erneuerbare Energie zu erzeugen?
Viele Erneuerbare erhalten noch eine Förderung. Das heißt: Sie verkaufen ihren Strom an der Strombörse und erhalten zusätzlich Unterstützung vom Staat. Das nimmt aber immer mehr ab, weil die Förderung mittlerweile weniger gebraucht wird. Aber grundsätzlich kann man auf der Erzeugungsseite eben den Anreiz setzen, dass man Strom besonders gewinnbringend verkaufen kann – zum Beispiel, wenn man Strom genau dann erzeugt, wenn er eigentlich knapp ist. Das geht zum Beispiel auch gut mit Energiespeichern. Wenn man Solaranlagen oder Windparks mit Batteriespeichern kombiniert, gibt es besondere Fördermöglichkeiten. So kann man flexibler reagieren: Man speichert den Strom vor Ort und speist ihn erst dann ins Netz, wenn Strombedarf besteht.

E-Autos und Ladeinfrastruktur: Wo die Elektromobilität heute steht

Elektromobilität ist ein wichtiger Baustein der Energiewende und entwickelt sich rasant weiter. Dieser Abschnitt beleuchtet den aktuellen Stand von E-Autos, Ladeinfrastruktur und Batterietechnologien, zeigt Herausforderungen und Zukunftsperspektiven auf und ordnet internationale Entwicklungen ein.

Was sind momentan die größten Herausforderungen bei der E-Mobilität?
Es gibt momentan noch viele Herausforderungen. Ich würde sagen, eines der Hauptprobleme ist gerade das beschädigte Image der Elektrofahrzeuge. Und dass es von den Automobilherstellern noch kein richtiges Commitment für Elektrofahrzeuge gibt – zumindest nicht im großen Stil von allen Herstellern. Und für Nutzer ist es vor allem immer noch der Preis. Langsam nähern wir uns bei den Preisen zwar den konventionellen Fahrzeugen an, aber sie sind momentan noch immer teurer in der Anschaffung. Das ist für viele Menschen eine Hürde.
Ich habe zu E-Autos gehört, dass die auch netzstützend eingesetzt werden können. Stimmt das?
Ja, es gibt seit einiger Zeit eine Änderung im Energiewirtschaftsgesetz, dass man relativ einfach als steuerbare Verbrauchseinheit angeschlossen wird. Dann regelt der Netzbetreiber in Zeiten, in denen sehr viel Strom gebraucht wird, das Laden des Elektrofahrzeugs ab – schaut aber in Summe schon, dass das Fahrzeug vollgeladen wird. Dafür bekommt man eine Vergütung vom Netzbetreiber. Das ist die einfachste Möglichkeit. Man kann das auch selbst in die Hand nehmen und sein Fahrzeug dann laden, wenn der Strom günstig ist – bei Stromtarifen mit variablen Strompreisen. Im Prinzip ist auch das eine Art Laststeuerung. Das kann man auch technisch machen. In Zukunft wird es dann noch in die Richtung „Vehicle to Grid“ gehen. Das heißt, dass das Auto als Stromspeicher verstanden wird. Beispielsweise könnte der erzeugte Strom der Solaranlage dort gespeichert werden, um ihn im Haushalt zu nutzen, sobald der Strompreis in die Höhe geht.
Welche aktuellen Entwicklungen gibt es bei der Elektromobilität?
Die Reichweiten werden immer noch größer – auch wenn man sie im Tagesdurchschnitt eigentlich gar nicht braucht, sondern nur für seltene längere Fahrten. Und auch die Ladeleistungen nehmen noch zu. Also das, was die Hersteller erlauben, an Leistung in ihre Batterien zum Laden hineinzubringen. Das waren früher bis 11 Kilowatt (Starkstrom einphasig), maximal 22 Kilowatt. Mittlerweile lassen viele 90 bis 150 Kilowatt zu. Das verringert die Ladezeiten immens. Ansonsten kommen dann noch technische oder sogar Software-Anwendungen hinzu. Wie zum Beispiel gesteuertes Laden – also, dass ich zu Schwachlastzeiten lade und Geld spare – oder Vehicle to Grid. Sowas wird mehr und mehr ins Fahrzeug integriert.
Warum gibt es denn in anderen europäischen Ländern – wie zum Beispiel Norwegen – teilweise viel mehr Elektrofahrzeuge als in Deutschland?
Also in Norwegen haben Elektrofahrzeuge mittlerweile einen Marktanteil von über 90 Prozent. Dort hat man in den letzten 30 Jahren eine sehr stringente Förderpolitik für Elektro-Fahrzeuge aufgebaut. Mit der Nutzung von Busspuren, Reduktion von Citymaut, Importzöllen, die für E-Fahrzeuge erlassen wurden – also viel Förderung mit einem gleichzeitigen Infrastruktur-Aufbau, der auch ein bisschen einfacher gehandhabt wird als in Deutschland. Dort gibt es nicht so viele Regularien und es werden auch mal einfache Lösungen zugelassen. Das hat dem Ganzen einen ziemlichen Schub gegeben.
Wie viele Ladesäulen gibt es in Deutschland?
In Deutschland gibt es mittlerweile etwa 190.000 öffentliche Ladepunkte und davon 30.000 mit einer höheren Leistung, sodass wir sie als Schnellladesäulen bezeichnen würden. Die Netzabdeckung ist also schon relativ gut. Es gibt außerdem Pläne, das Netz weiter auszubauen.
Es gibt so viele verschiedene Anbieter für die öffentlichen Ladesäulen und viele sind app-gesteuert, sodass ich gar nicht alle nutzen kann oder höhere Preise bezahlen muss. Könnte man das nicht vereinfachen?
Das ist leider schon lange ein Thema. Seit circa 10 Jahren wird darüber geredet, dass barrierefreies Laden möglich sein soll. Das ist es auch – aber es ist noch immer sehr umständlich. Ich kann an jeder Ladesäule im Zweifel mit einer Kreditkarte bezahlen, zahle aber dann immer einen höheren Preis. Bei den Schnellladesäulen haben wir weniger Anbieter. Da sind es vor allem die Großen – also EnBw, einige Mineralölkonzerne und Tesla. Es gibt regionale Unterschiede, was meiner Meinung nach okay ist, da es im Prinzip wie ein Stadtmobiliar ist.
Könnte man Ladeinfrastruktur nicht auch auf vorhandenen Tankstellen einbinden?
Mit einem konventionellen Fahrzeug dauert der Tankvorgang etwa 3 Minuten, für ein Elektrofahrzeug muss ich eher 15 bis 20 Minuten einplanen. Deswegen ist die Tendenz gerade eher, Ladeinfrastruktur nicht bei den Tankstellen zu integrieren, sondern auf Parkplätzen.
Wo gibt es im Forschungsbereich der Elektromobilität die größten Entwicklungsmöglichkeiten?
Im Bereich der E-Mobilität gab es ja früher schon viel Forschung: Wie viele E-Autos es mal geben wird, wie viel Strom da gebraucht wird und so weiter. Das machen wir teilweise immer noch. Da geht der Fokus aber mittlerweile mehr zum „Vehicle to Grid“ – also wie bekomme ich das E-Auto besser ins Stromsystem integriert. Gerade haben wir zum Beispiel ein Forschungsprojekt, in dem es darum geht, wo man das System optimieren sollte: im Haushalt, auf der Verteilnetzebene – also, dass der Betreiber reguliert – oder auf einer übergeordneten Ebene – dass ich gleich deutschlandweit koordiniere, wo Strom fließen sollte, damit es das System am günstigsten macht. Und dann machen wir aber seit einigen Jahren viel im Bereich LKW. Vor einiger Zeit hinkten wir entwicklungsmäßig den Pkw noch etwa 10 Jahre hinterher. Ich würde sagen, jetzt sind es nur noch 2 bis 3 Jahre. Es gibt zwar noch nicht ganz so viele E-LKW zu kaufen aber es gibt auch viel weniger Hersteller. Da gibt es noch viele Fragestellungen. Die Fahrzeuge entwickeln sich dort auch anders. Waren wir vor 3 Jahren noch bei Reichweiten von 200 bis 300 Kilometern, sind es heute schon 500 Kilometer. Und das wird noch zunehmen. Da entwickelt sich auch die Ladeleistung nochmal rasant.
Wie sieht die Zukunft der Ladeinfrastruktur in den Städten aus?
Ich sehe schon, dass da in den Städten viel passieren wird. Sehr charmant finde ich die Idee der Lademöglichkeit am Bordstein. Es gab vor Jahren mal die Idee, Lademöglichkeiten in Laternen zu integrieren. Das sind Lösungsansätze für niedrigere Ladeleistungen und für Personen, die keine Garage oder privaten Parkplatz haben und nicht zuhause laden können. Bei den höheren Ladeleistungen ist das glaube ich nicht machbar, weil die Kabelquerschnitte einfach zu groß sind. Meiner Ansicht nach wird alles was öffentliche Ladeinfrastruktur ist, in Richtung Schnelllademöglichkeit gehen – mit entsprechend großen Kabeln und Ladesäulen. Für den größten Teil der Nutzer wird Laden trotzdem noch zuhause stattfinden, weil die Fahrzeuge da die meiste Zeit stehen. Die restlichen Ladevorgänge finden am Arbeitsplatz und die letzten 10 bis 20 Prozent im öffentlichen Raum statt.
Wie viele Elektroautos verträgt Deutschland?
Mit relativ einfachen Möglichkeiten, die Last zu verschieben – also beispielsweise, bei Engpässen Elektrofahrzeuge langsamer zu laden – verträgt Deutschland schon einige Elektrofahrzeuge. Bis 2030 wollen eigentlich alle Netzbetreiber diese Lastverschiebung hinbekommen. Das wird auch mittelfristig die Lösung für Engpässe sein, denn wir kommen nicht hinterher, das Netz auszubauen. Danach hoffe ich eigentlich, dass man vermehrt eigene kleine lokale Systeme entwickeln kann: Beispielsweise nutze ich die eigene PV-Anlage auf meinem Dach für meinen Stromverbrauch und speichere überschüssigen Strom in meinem Fahrzeug. Ich stelle diesen dem Netz zur Verfügung, wenn es Engpässe gibt. Dadurch könnte eine Entlastung für das Stromnetz entstehen. Um die nächsten 5 bis 10 Jahre mache ich mir also eher keine Sorgen. Das bekommt man mit der Lastverschiebung hin. Es hängt aber natürlich stark von dem Zuwachs an E-Autos ab. Wenn es sich jetzt wie gewünscht in Richtung 10-15 Millionen E-Autos bis 2030 entwickelt, muss man nochmal genauer hinschauen. Das Problem sitzt dann schon eher lokal in den Verteilnetzen. Natürlich gibt es dann irgendwann auch Probleme im Transportnetz, also in der höheren Ebene. Aber erstmal würde es in den Verteilnetzen eng werden. Und wie die Verteilnetzbetreiber damit umgehen werden, kann ich leider pauschal nicht sagen, denn wir haben über 800 verschiedene in Deutschland.
Werden sich die Preise für die Batterien in den nächsten Jahren noch verringern?
Die Kosten für die Batterie werden sicherlich noch runtergehen. Aber sie wird immer die teuerste Komponente des E-Fahrzeugs bleiben. Aktuell sind wir bei den Einkaufspreisen für die Hersteller etwa bei 200-250 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität bei den Batterien. Selbst wenn der Preis zukünftig bei 100 Euro pro Kilowattstunde liegen wird, habe ich bei einer 100-kWh-Batterie – die ich bei einem Elektro-PKW heute oft verbaue – noch immer 10.000 Euro.
China drängt mit seinen E-Autos immer stärker auf den deutschen Markt. Woran liegt das? Ist das nur eine Preisfrage?
Ja, also pauschal gesagt hat Deutschland – oder haben es eben auch deutsche Automobilhersteller – nicht geschafft, ausreichend günstige Elektrofahrzeuge anzubieten. Und vielleicht auch nicht ausreichend gute Autos. Auf dem chinesischen Markt ist es teilweise so, dass man die deutschen Produkte gar nicht mehr kaufen möchte, weil die chinesischen Produkte eigentlich spannender sind als die deutschen. Die Chinesen drängen tatsächlich immer mehr auf den europäischen Markt, weil er auch attraktiv ist. Der große Markt ist aber immer noch China, der ist doppelt so groß wie der gesamte europäische Markt. Wir verlieren aber auch da immer mehr den Anschluss. Eine Lösung habe ich leider noch nicht parat. Die deutschen Hersteller müssen sehen, dass sie da konkurrenzfähig sind. Und das ist auch ein Preisthema.
Was sind die wichtigsten Entwicklungen der Batterieforschung der vergangenen Jahre?
Das kann ich nur grob zusammenfassen. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, bei den Lithium-Ionen-Batterien die Energiedichte weiter zu verbessern. Das heißt, ich kann mehr Energie in einem gleichen Gewicht oder auch Volumen speichern. Das hat sich verbessert. Man hat es auch geschafft, alles was außen um die Batterie herum ist, kleiner und kostengünstiger zu machen. Der große Effekt ist aber die Preisentwicklung durch die Massenfertigung. Das ist zwar kein technologischer Sprung aber dadurch, dass man die Produkte im großen Stil fertigt, sind sie deutlich günstiger geworden. Es gibt aber noch zukünftige Entwicklungen im Batteriebereich. Ein Beispiel sind Lithium-Schwefel-Batterien, da redet man von einem Verbesserungs-Faktor 3 bei der Energiedichte – also nur einem Drittel des Gewichts der heutigen Batterien. Über Lithium-Luft- und Metall-Luft-Batterien spricht man schon lange. Früher hat man denen einen Verbesserungsfaktor von 1000 bei der Energiedichte nachgesagt, heute redet man noch über einen Faktor 10. Das wäre aber natürlich auch noch ein großer Sprung, weil die Fahrzeuge dadurch leichter würden und man entsprechend mehr Kapazität einbauen könnte. Ein weiteres großes Thema ist der Ersatz von Lithium in den Batterien durch Natrium. Da gibt es auch schon einige Hersteller, die das testen oder einsetzen.
Wie sieht es mit der Recycling-Fähigkeit der Batterien aus?
Es gibt in Europa eine EU-Richtlinie, dass ab 2030 50 Prozent des Lithiums und 80 Prozent der anderen Materialien – wie Nickel, Mangan und Kobalt – recycelt werden müssen. Diese Vorgaben werden sich nach 2030 noch weiter verschärfen. Das führt dazu, dass wir bald auch recycelte Materialien vermehrt in Batterien sehen werden.
Betrachten Sie in Ihrer Forschung auch noch andere Antriebsmöglichkeiten?
Wir schauen uns eigentlich alle Antriebsmöglichkeiten an. Im PKW-Bereich haben wir lange das Thema Wasserstoff mit dabeigehabt und betrachten das technologieoffen. Nur zeigt sich im PKW-Bereich, dass das nicht mehr richtig kommt. Es gibt heute in Deutschland 2 PKW-Modelle, die ich als Brennstoffzellenfahrzeug kaufen und an 70 Tankstellen tanken kann. Dagegen gibt es 150 oder 200 Modelle von Elektrofahrzeugen, die ich an fast 200.000 öffentlichen Ladesäulen laden kann – da sind noch keine Steckdosen aus dem Privatleben mit dabei. Im LKW-Bereich wird Wasserstoff immer wieder mal für die Langstrecke diskutiert. Und es wird auch immer wieder mal das Thema E-Fuels – also synthetische Kraftstoffe – aufgebracht. Das schauen wir uns auch an. Da muss man sagen, dass die Herstellung relativ viel erneuerbaren Strom braucht. Und das ist noch viel teurer als das Elektrofahrzeug. Daher ist unsere Tendenz: Alles was an Land bewegt wird, wird vermutlich zu ganz großen Teilen in Richtung Elektromobilität gehen.
Ich habe von dieser Teststrecke für Oberleitungen für LKW gelesen. Können Sie dazu etwas sagen?
Diese Projekte sind mittlerweile abgeschlossen. Wir haben eines davon selbst begleitet und waren auch an der übergreifenden Begleitforschung beteiligt. Diese Oberleitungs-LKW sind auch Elektrofahrzeuge, sie werden nur anders geladen – nämlich an dieser Oberleitung. Durch die Tests hat sich jetzt herausgestellt, dass das technisch noch fehleranfälliger ist als gedacht. Vorher dachte man, dass man das System einfach von der Bahn übernehmen könnte. Faktisch ist es dann doch etwas anderes, wenn Unebenheiten in der Straße sind und zwei Stromabnehmer abwechselnd an der Oberleitung wackeln. Außerdem ist der Abrieb anders. Es hat also mehr Herausforderungen als bei der Bahn. Aber der Grund, warum es jetzt nicht weiterverfolgt wird, ist ein anderer: Die Batterietechnologie hat sich so stark weiterentwickelt, dass ich mit einem LKW, den ich im Depot meines Unternehmens lade, eine Insellösung schaffen und damit starten kann. Während ich bei einer Oberleitung erstmal große infrastrukturelle Investitionen tätigen muss, die wahrscheinlich auch staatlich koordiniert sein müssten. Das ist die große Hürde, die sich keiner getraut hat, anzupacken. Denn sonst spricht auch schon vieles dafür: Ich kann kleinere Batterien in die Fahrzeuge einbauen, das ist ökologisch sinnvoller und außerdem viel billiger. Aber in die Vorleistung für Oberleitungen will keiner gehen.

Energiewende und Gesellschaft: Wie die Energiewende im Alltag ankommt

Die Energiewende betrifft nicht nur Technik und Märkte, sondern auch unseren Alltag und die Gesellschaft insgesamt. Hier geht es um Akzeptanz, Strukturwandel und die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger aktiv eingebunden werden können.

Wie kann man die Akzeptanz für die Energiewende erhöhen?
Akzeptanz ist ein ganz wichtiges Forschungsthema – insbesondere im Projekt Ariadne. Da-für führt man Umfragen unter den Bürgerinnen und Bürgern durch und schaut sich die Ak-zeptanz an und welche Faktoren die Akzeptanz positiv beeinflussen können. Dabei sieht man, dass sich die Akzeptanz erhöht, wenn man sich beteiligt fühlt – also, wenn man mit-genommen wird, wenn man Bescheid weiß und auch wenn man ggf. finanziell beteiligt wird, zum Beispiel an einem Bürger-Windpark. Ganz schlecht ist es hingegen, wenn Projekte an den Bürgerinnen und Bürgern vorbeige-plant werden. Denn man möchte ja verstehen was in seiner Region passiert, was für Vor- und Nachteile es gibt, man möchte informiert sein. Daher ist es wichtig, dass man die Bür-gerinnen und Bürger mitnimmt, dass sie mitgestalten können, dass sie mitsprechen können und dass sie sich vielleicht auch finanziell beteiligen können.
Ein großes Problem ist ja auch, wenn sich durch Strukturwandel Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft verschieben. Wie kann es denn da gelingen, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen?
Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt – gerade in Regionen, in denen man sehr starke Verän-derungen hat, wo zum Beispiel ein Atomkraftwerk stillgelegt wird oder auch in den ehemali-gen Kohleabbauregionen. Ich glaube, da ist es ganz wichtig, dass man in diesen Regionen eine regionale Wertschöpfung durch andere Wirtschaftszweige vorantreibt. Dass zum Bei-spiel mehr in andere Energieformen investiert wird, dass dort Wissenschaftsstandorte ent-stehen oder dass andere große Erzeugungsanlagen – wie große Windparks – die Industrie anders ankurbeln. Sodass die Arbeitsplätze nicht verloren gehen, sondern umgeschult wer-den kann. Dass das funktionieren kann, sieht man in vielen ehemaligen Kohleabbauregionen. Dort hat man neue Forschungs- oder Mediencampus eingerichtet und damit Alternativen geboten, um den Wohlstand für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu erhalten.
Müsste man neben neuen technologischen Lösungen für Erzeugung und Transport nicht auch am Verbrauch drehen, für eine erfolgreiche Energiewende?
Ja, das ist eine sehr wichtige Frage. Im Energiekontext reden wir dabei auch immer von Effizienz und Suffizienz – also, dass man einfach grundsätzlich weniger Energie konsumiert und dass man effizienter ist. [Anm. Redaktion: Effizienz richtet sich auf eine ergiebigere Nutzung von Energie, Suffizienz richtet sich auf eine geringere Nachfrage nach Energie.] Daran arbeitet die Forschung auch. Viele Technologien werden effizienter. Ein gutes Bei-spiel sind Kühlschränke, die viel weniger Strom verbrauchen als früher. Es wird auch viel politisch gefördert – zum Beispiel mit staatlichen Förderprogrammen zur Hausdämmung. Man investiert in Modernisierungen, um weniger Energie zu verbrauchen.
In meinem Austauschjahr in Frankreich habe ich gesehen, dass die Menschen dort so kleine Geräte haben, die ihnen sagen, ob der Strom gerade teuer oder günstig ist. In Deutschland habe ich das noch nie gesehen. Wäre das aber nicht auch eine Idee, um Stromerzeugung und -verbrauch besser aufeinander abzustimmen?
Genau das ist der Ansatz vom marktorientierten Steuern: Stromverbrauch anreizen, wenn gerade viel Strom produziert. Dabei helfen auch dynamische Strompreise, die immer mehr angeboten werden. Allerdings ist dabei immer die Frage worauf sich dieses Preissignal bezieht. Denn nur weil wir beispielsweise im Norden gerade ganz viel Wind haben, damit viel und günstig Strom produzieren, heißt es nicht, dass es in einem lokalen Netz im Süden gut ist, wenn jetzt alle plötzlich Strom beziehen. Denn die Energie muss ja auch erstmal übertragen werden. Aber ganz prinzipiell gibt es viele Ansätze für eine marktorientierte Steuerung. Ich persönlich denke auch, dass es das ist was am besten angenommen wird, wenn man eben über finanzielle Anreize arbeitet. Denn eine externe Beschränkung – die ja eigentlich auch nur für den Notfall gedacht ist – schürt auch immer Ängste.

Von der Forschung in die Anwendung: Wie arbeiten die Kopernikus-Projekte?

Neue Lösungen für das Energiesystem entstehen in den Kopernikus-Projekten im Zusammenspiel von Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft. In diesem Abschnitt erfahren Sie, woran aktuell geforscht wird, warum Kooperationen wichtig sind, welche Rolle große Forschungsprojekte spielen und wie wissenschaftliche Erkenntnisse in politische Entscheidungen einfließen können.

Woran forschen Netzbetreiber?
Wir schauen uns ganz genau an, wie sich die Versorgungsaufgabe verändern wird. Also: Wie nutzen Leute zukünftig den Strom, den wir durch unsere Netze leiten? Und was können wir jetzt schon dafür tun, Engpässe zu verhindern und unsere Netze fit zu machen? Die Erkenntnisse aus der Forschung müssen wir dann noch in den betrieblichen Alltag integrieren, damit auch unsere Kunden davon profitieren können.
Welche Aufgaben hat Siemens im Kopernikus-Projekt ENSURE?
Siemens ist tatsächlich in ganz unterschiedlichen Arbeitsgruppen im Projekt vertreten. Je nach Fachexpertise der Leute, die da mit dabei sind, beschäftigen wir uns zum Beispiel mit Zustandserkennung von Niederspannungsnetzen: Ich habe relativ wenig Messtechnik in den Niederspannungsnetzen. Ich weiß also eigentlich gar nicht, was in den Niederspannungsnetzen vor sich geht. Wenn wir jetzt also anfangen immer mehr Photovoltaikanlagen auf die Dächer zu bauen, immer mehr Speicher, mehr E-Mobilität vorantreiben, dann brauche ich ein Gefühl dafür, welche Leitungen wie stark ausgelastet sind. Und da entwickelt Siemens unter anderem einen Algorithmus mit. Aber wir sind auch zum Beispiel im Bereich der Schutztechnik aktiv. Unsere Netze verändern sich sehr stark: Wir verbauen viel Kabel, mehr Transformatoren, die Einspeisung ändert sich, die Reaktion auf Kurzschlüsse verändert sich. Siemens arbeitet mit daran, dass wir automatisch auswerten können, ob das Einfluss auf die Schutztechnik hat – und wenn ja, wo – und daran, dann wiederum Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Partnern damit man von der reinen wissenschaftlichen Betrachtungsweise auch zur Anwendung kommt?
Der ist sehr wichtig. Wir haben ja häufig im rein wissenschaftlichen Betrieb – etwas abschätzig formuliert – Wolkenschlösser. Es wird ja auch viel Grundlagenforschung in solchen Projekten gemacht, die eben nicht direkt anwendbar ist. Und eine meiner Aufgaben ist es tatsächlich, diese Forschung für unseren Netzbetrieb nutzbar zu machen. Und dann aber auch, darüber zu sprechen. Denn wir haben gelernt: Die Probleme oder die Herausforderungen, die wir haben, haben ja auch viele andere Netzbetreiber. Das heißt, dass wir tatsächlich auch den Lösungsweg beschreiben wollen, damit sich nicht alle Netzbetreiber eine eigene Lösung überlegen müssen.
Wie groß ist Ihre Schnittstelle zur Politik? Wie viel können Sie als Forscherin der Politik zuarbeiten?
Ariadne ist ein sehr großes Forschungsprojekt, welches sehr viel Austausch mit der Politik anregt. Wir haben zum Beispiel eine jährliche Politikwerkstatt, zu der wir Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik einladen und bei der wir mit ihnen verschiedene Themen durchdiskutieren. Ich selbst als Forscherin mache auch Beratungsprojekte für die Politik. Das heißt: Die Politik kauft sich auch immer wieder Beratungsleistung ein, bei der wir neutral und wissenschaftlich fundiert die Sachlage darlegen, Vor- und Nachteile zeigen und Optionen beschreiben. Für mich fühlt es sich so an, als könnte ich da bereits viel Austausch mit der Politik anregen und wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Politik teilen.
Wie groß ist Ihre Schnittstelle zur Politik? Wie viel können Sie als Forscherin der Politik zuarbeiten?
Ariadne ist ein sehr großes Forschungsprojekt, welches sehr viel Austausch mit der Politik anregt. Wir haben zum Beispiel eine jährliche Politikwerkstatt, zu der wir Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik einladen und bei der wir mit ihnen verschiedene Themen durchdiskutieren. Ich selbst als Forscherin mache auch Beratungsprojekte für die Politik. Das heißt: Die Politik kauft sich auch immer wieder Beratungsleistung ein, bei der wir neutral und wissenschaftlich fundiert die Sachlage darlegen, Vor- und Nachteile zeigen und Optionen beschreiben. Für mich fühlt es sich so an, als könnte ich da bereits viel Austausch mit der Politik anregen und wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Politik teilen.
Wird es zukünftig andere Möglichkeiten geben, Strom zu übertragen?
Wir werden um Kabel nicht herumkommen – entweder im Boden vergraben oder auf Masten, als Freileitung ausgeführt. Zukünftig werden wir aber vermehrt eine Stromerzeugung vor Ort haben. Wir werden immer dezentraler unsere Energie erzeugen. Es wird mehr Speichermöglichkeiten geben und werden damit in einem gewissen Maße etwas unabhängiger von den Leitungskapazitäten werden – weil wir den Strom eben näher vor Ort erzeugen können. Nichtsdestotrotz werden wir weiterhin Stromtrassen benötigen. Denn der Offshore-Windpark steht nun mal vor der Küste. Und wenn ich den Strom gerade in Baden-Württemberg brauche, muss der natürlich irgendwie dorthin kommen. Damit die Versorgungssicherheit in Deutschland weiterhin gegeben ist, benötigen wir noch weitere Stromtrassen – als Back-up. Falls Leitungen ausfallen – zum Beispiel Freilandleitungen aufgrund von Vereisung – kann dann auf eine andere Leitung zurückgegriffen werden.