26.09.2025 ENSURE
Vom Networking in Dortmund zu neuen Erkenntnissen in den USA
Christian Holger Nerowski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der TU Dortmund und forscht im Kopernikus-Projekt ENSURE. Bei einem Aufenthalt in Übersee hat er neue Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt. Seine Geschichte will spürbar machen, wie internationale Zusammenarbeit den Kopernikus-Projekten und der deutschen Energiewende nutzen kann.
Der Flughafen von Düsseldorf ist so früh an einem Samstag noch ungewohnt leer, der Kopf von Christian Nerowski bereits zum Bersten gefüllt. Er denkt darüber nach, was er vor ihm liegt - auch an Herausforderungen und Lehren-, wenn er wenige Stunden später auf der anderen Seite des Atlantiks aus dem Flugzeug steigen wird. Er ist Forscher und auf dem Weg, in den USA seinen Horizont zum Thema „Energieflexibilisierung“ zu erweitern - für ENSURE, das Kopernikus-Projekt, in dem er tätig ist.
Unerwartet dauert es geschlagene 24 Stunden, bis seine Füße auf amerikanischem Boden stehen - gut doppelt so lang, wie die Reise eigentlich hätte dauern sollen. Es ist mitten in der Nacht und Christian ziemlich gerädert, als er sein Reiseziel erreicht: Burlington, Vermont. Zugleich müde und voller Vorfreude kehrt er dort zunächst in einem eher unspektakulären Studierendenwohnheim ein. Jenseits des gewohnten Komforts macht ihm das bewusst, dass das Forscherleben eben nicht nur aus Theorien und Laborexperimenten besteht, sondern einem auch manchmal die Fähigkeit zur Anpassung und spontanen Improvisation abverlangen kann.
Auch sein neuer Arbeitsplatz in einem über 130 Jahre alten Gebäude aus roten Backsteinen, ganz in der Nähe des zentralen Studentenwohnheims und des Medizinzentrums der Universität, stellt für Christian eine gewisse Herausforderung dar. Statt eines ruhigen Büros wie in Deutschland erwartet ihn ein belebtes Open Plan Office. Der rege Austausch unter den Forschenden ist zwar bereichernd, aber die ständige Betriebsamkeit erschwert zuweilen auch das konzentrierte Arbeiten. „Die Atmosphäre ist sehr angenehm, aber tatsächlich merke ich auch, dass man als Doktorand in den USA noch ein richtiger Student ist“, reflektiert Christian nach seiner ersten Woche vor Ort. Trotz des holprigen Starts und der neuen Umgebung ist er weiterhin fest entschlossen, das Beste aus seinem Aufenthalt zu machen.
Eine zufällige Begegnung, die alles verändern soll
Christians Weg in die USA hat tatsächlich bereits lange vor seinem Flug nach Vermont seinen Anfang genommen. Im Zuge einer Veranstaltung in Dortmund lernte er den renommierten Prof. Dr. Costas Vournas aus Athen kennen, dessen Forschung sich unter anderem mit diversen Fragen zur Spannungsstabilität in elektrischen Energiesystemen beschäftigt. Eine kurze Diskussion über die Potenziale von Flexibilitäten entfachte dabei eine spannende Idee: Gemeinsam entschieden sie, sich an Prof. Dr. Mads Almassalkhi zu wenden, einen Wissenschaftler aus den USA, der für seine Arbeiten auf dem Feld der Regelungstechnik bekannt ist. So wurde aus einem lockeren Gespräch in Dortmund schließlich ein handfestes internationales Forschungsunterfangen.
Jene transatlantische Kooperation bringt Christian nun also in die USA nach Burlington, wo er direkt in die Analyse von Energiesystemflexibilitäten eintaucht (und in die schöne Umgebung; auf dem Foto sind die Green Mountains zu sehen). Was zunächst als vage Fragestellung im Raum steht, wird schnell als Wissenslücke erkannt und entwickelt sich schließlich zu einem vielversprechenden Forschungsansatz weiter. „Es ist wirklich faszinierend, wie ein kurzer Austausch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit führen kann“, erzählt Christian begeistert.
Die Wissenschaft hinter der Reise: Flexibilitätspotenzialanalysen
Doch worum geht es bei der Analyse von Flexibilitätspotenzialen in Energiesystemen genau? Wenn Christian diese Frage seiner Großmutter erklären müsste, damit es auch für sie verständlich ist, würde das so klingen: „Durch die Nutzung sogenannter Flexibilitätspotenziale können Stromnetze besser ausgelastet werden. Indem der Betrieb auf den verschiedenen Spannungsebenen optimiert wird, kann man die schwankende Erzeugung von erneuerbaren Energien mit den Verbräuchen in Einklang bringen. Dabei steuert man den Energiefluss so, dass vorhandene Flexibilitäten bestmöglich genutzt werden.“
Während seines Aufenthalts in Burlington, später in Waterloo/Kanada, entwickelt Christian eine neuartige Methode zur Verbesserung ebenjener Analyseverfahren. Der internationale Austausch (auf dem Foto: Christian bei einer Präsenation vor Ort) spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle. Insbesondere die unterschiedlichen Perspektiven und Herangehensweisen seiner neuen Kollegen verhelfen ihm dazu, innovative Lösungen zu finden, die zukünftig einen wertvollen Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten könnten. „Mich begeistert immens, dass sich die Fragestellungen der amerikanischen Forscher zu großen Teilen mit denen meiner deutschen ENSURE-Partner decken. Obwohl der Strommarkt hier ganz anders funktioniert - und auch die politischen Rahmenbedingungen andere sind -, so habe ich doch den Eindruck, dass man voneinander lernen kann“, erklärt Christian.
Ein Fazit voller Erkenntnisse
Christians Forschungsreise ist letztlich nicht nur eine akademische Herausforderung, sondern hilft ihm spürbar dabei, sich auch persönlich weiterzuentwickeln. An die ungewohnten Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Vereinigten Staaten von Amerika musste er sich zwar zunächst einmal gewöhnen, doch sie werden ihn langfristig auch bereichern, da ist er sicher. Insbesondere die transatlantische Zusammenarbeit, die durch Neugier und einen regen Austausch entstand, zeigt ihm, wie wichtig interdisziplinäre und internationale Kooperationen in der Wissenschaft sind, um zu bedeutenden Erkenntnissen gelangen zu können.
Mit einem großen Koffer voller Erfahrungen, neuen Erkenntnissen und wertvollen Kontakten kehrt Christian schließlich nach Deutschland zurück. Seine Reise mag zwar beendet sein, doch die gewonnenen Einsichten werden seine Forschung in ENSURE weiterhin prägen. Womöglich war dies auch erst der Anfang einer noch viel größeren transatlantischen Erfolgsgeschichte. Christian jedenfalls möchte die Kooperation weiterführen.