ENSURE
Kopernikus-Projekt ENSURE entwickelt das Stromnetz der Zukunft
Die Mission: das Stromnetz fit machen für die Energiewende. Denn in seiner heutigen Form ist es kommenden Herausforderungen nicht gewachsen. Deshalb entwickeln Forschende, Netzbetreibende, Herstellende und zivilgesellschaftliche Organisationen im Kopernikus-Projekt ENSURE Lösungen. Die Bausteine tragen dazu bei, dass auch künftig alle dann auf Energie zugreifen können, wenn sie sie benötigen.
Eine zuverlässige Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Quellen muss auch bei einer zunehmenden Elektrifizierung der Bereiche Wärme und Verkehr gewährleistet sein: Dies gehört zu den Kernaufgaben von ENSURE. Grundlagenforschung hierzu dominierte die erste Projektphase, Planung der praktischen Umsetzbarkeit die zweite. In der dritten Phase wollen die Partner nun die bisher entwickelten Ansätze für ein zukunftsfähiges Energienetz im hybriden Realbetrieb in der Praxis testen. Digitalisierung und Automatisierung sollen zudem dabei helfen, in Zukunft Personalengpässe bei den Netzbetreibern zu vermeiden.
Vielfältige Herausforderungen für die Energieversorgung
Deutschlands Klimaneutralität bis 2045 ist ein Vorhaben, das sich aus den Zielen des Pariser Klima-Abkommens ableitet. Für die Stromversorgung bedeutet dies, dass sie sich künftig ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen speisen soll. Das geht mit großen Herausforderungen einher. Die Stromnachfrage ist relativ konstant. Doch Photovoltaik- und Windkraftanlagen erzeugen mit großen Schwankungen Energie - Wind bläst nicht immer, die Sonne scheint nicht immer. Die bisherige Netzstruktur ist zudem darauf ausgelegt, Strom nur in eine Richtung zu transportieren: von Kraftwerken zu Verbrauchenden. Derweil produzieren aber immer mehr Verbrauchende selbst Energie. Dies kann zum Beispiel mittels Solarmodulen auf dem Dach oder Biogasanlagen passieren. Ihren Überschuss könnten sie ins Netz einspeisen - wenn dieses „lernt“, in beide Richtungen zu transportieren.
In diesem Zusammenhang relevant ist, dass die Netze an Resilienz gewinnen. Der Begriff meint eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen und Ungleichmäßigkeiten. Das lässt sich erreichen, indem in Zukunft die Knotenpunkte der Energieversorgung miteinander vernetzt sind und kommunizieren können. Ein Netzausbau ist grundsätzlich notwendig. Doch der Aufwand hierfür lässt sich reduzieren, wenn das vorhandene Netz optimaler ausgelastet ist. Wo zusätzliche Netzstrukturen entstehen, sollte die Priorität auf nachhaltigen Materialien zum Ausbau liegen. Zudem gilt es, die Kosten für die Energiewende fair zu verteilen. All diese Überlegungen und Perspektiven fließen in die Forschungsarbeit des Kopernikus-Projekts ENSURE ein.
Das Projekt erarbeitet einen Baukasten mit flexibel einsetzbaren Technologien für die Energiewende - mit Fokus auf Stromnetze. Jeder dieser Bausteine liefert einen eigenen Mehrwert und lässt sich auf die regionalen Gegebenheiten bezogen mit anderen kombinieren. ENSURE will im nächsten Schritt mittels Simulationen das Zusammenspiel mit echten Hardware-Komponenten nachweisen. Eine große Rolle spielt auch die Sektorenkopplung, die Strom-, Wärme- und Gasnetze unter Einbezug des Mobilitätssektors miteinander verbindet. Das Energienetz der Zukunft muss das mitdenken, damit es mehr kann als „nur“ Strom.
In Förderphase drei: Fokus auf Demonstration
Bereits in der erfolgreich abgeschlossenen zweiten Phase ist es dem Projekt gelungen, ein Gesamtkonzept für die Energieversorgung zu entwerfen. Dieses ist in den bestehenden sozio-ökonomischen Rahmen eingebettet und gewährleistet eine Übertragbarkeit der Ergebnisse innerhalb Deutschlands und Europas. Tests von Stromnetzen mithilfe digitaler Zwillinge wie auch in ersten Pilotanlagen sind erfolgreich verlaufen.
Seine bisherigen Erkenntnisse will ENSURE weiter in die Praxis überführen. Dies soll hybrid geschehen. Das heißt, Simulationen und physische Tests in risikominimierter Umgebung ergänzen einander. Vorteil sind geringere Kosten und eine potenziell schnellere Markteinführung, weil Praxistests auf diese Weise sofort mit Gesetzgebung und Regulatorik vereinbar sind.
Anlagen im realen Netz tragen zusätzlich dazu bei, die Modelle und Ansätze zu validieren. Hierbei will ENSURE einerseits das systemische Zusammenspiel der unterschiedlichen Bausteine überprüfen. Andererseits ist Ziel, die Maßnahmen so weiterzuentwickeln, dass einer deutschlandweiten Anwendung nichts im Weg steht. Aktuelle technische Entwicklungen beobachten die Forschenden dabei kontinuierlich und integrieren diese bei Bedarf in ihre Konzepte. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Aktualisierung von Szenarien wieder.
Zu den Bausteinen, die in der dritten Förderphase demonstriert werden sollen, gehören:
- MVDC-Kollektornetz im netzbildenden Betrieb
Durch die Möglichkeit, ins Übertragungsnetz einzuspeisen, kann das Kollektornetz Momentanreserve und Regelleistung bereitstellen und damit als regeneratives virtuelles Kraftwerk fungieren. Das Gleichspannungs-Netz soll sich hin zu einem multiterminalen System mit verschiedenen Spannungsebenen verändern.
- Virtuelle Energy-Hubs
Geplant ist, verschiedene Anwendungsfälle zu demonstrieren. Dies soll sowohl in virtuellen Hubs in verschiedener Konfiguration geschehen als auch in EE-Hub-Gas.
- Europas größter Simulationsverbund für Energieinfrastrukturen
Die Kopplung von Laboren mehrerer Forschungseinrichtungen ermöglicht komplexe Analysen für die Beschleunigung der Energiewende. Dadurch lässt sich beispielsweise der Einsatz neuer Hardware erproben.
- Pilotanlagen
Anlagen und Konzepte, die im bisherigen Verlauf des Projekts untersucht und teilweise bereits als Pilotanlagen aufgebaut wurden, sind auch weiterhin auf der Test-Agenda. Dazu gehören unter anderem das digitale Umspannwerk, der Adaptiv-Netzschutz, Solid State Transformer, das digitale Ortsnetz, die dynamische Vermaschung und das HGÜ-Convertermanagement.
Dies alles ermöglicht Analysen komplexer Szenarien ohne kostenintensive Installationen im realen Netz. Darüber hinaus lässt sich auch eine Kopernikus-übergreifende Demonstration umsetzen. ENSURE kann mit vereinten Kräften etwa die Daten einer Power-to-X-Anlage aus P2X oder einer energieflexiblen Fabrik aus SynErgie in die deutschlandweiten systemischen Betrachtungen integrieren. Die fortschreitende Elektrifizierung zieht den logischen Schluss nach sich, dass das Stromnetz letztlich zum Möglichmacher vieler Technologien wird. Auch die soziale und politische Dimension, die sich in Studien und Analysen von Ariadne widerspiegelt, fließen in die Überlegungen ein. Die real aufgebauten Pilotanlagen, von denen einige bereits in wenig mehr als drei Jahren als kommerzielle Produkte verfügbar sein sollen, runden das Portfolio ab.
Die Projekt-Partner von ENSURE im Überlick
Optimiertes Stromnetz = optimierte Kosten
In der finalen Projektphase will ENSURE Wege aufzeigen, wie Stromnetze sich künftig effizient, zuverlässig und nachhaltig betreiben lassen. Dabei ermöglichen die im Projekt entwickelten Konzepte und Bausteine enormes Einsparpotenzial: bis zu 30 Megatonnen CO2 und Investitionen in Milliardenhöhe.
Die Hochrechnung geht von einem Anschluss von P2X-Anlagen aus, von flexibilisierten Industrieverbrauchern entsprechend der Ariadne-Szenarien und der Einsparungen durch effizientes Einspeisemanagement von Erneuerbare-Energie-Anlagen. In die Kalkulationen eingeflossen ist zudem ein verringertes „Redispatch“. Der Begriff beschreibt Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen.
Die Verringerung von Redispatch bietet neben den reduzierten CO2-Emissionen noch den Vorteil der Kostenreduzierung: So können Kosten von bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr wegfallen. Überdies erarbeitet das Kopernikus-Projekt ENSURE auch Wege, den Netzausbau möglichst gering zu halten, wodurch sich bis 2050 Kosten von bis zu 5 Milliarden Euro vermeiden lassen.
Bisherige Projekterfolge
Bisher ist Deutschlands Energienetz sternförmig angelegt: Zentrale Kraftwerke liefern Energie in alle Teile Deutschlands. Wenn die Strahlen dieser Sterne in Zukunft wie Maschen eines Netzes miteinander verbunden werden, lässt sich die Energie auch auf vielen anderen Wegen ihrem Ziel zuführen – und das deutlich effizienter und bei verhältnismäßig geringen Netzausbau-Kosten. Die Ergebnisse aus ENSURE zeigen, dass eine solche Vermaschung über alle Spannungsebenen und Spannungsformen hinweg erfolgen kann, um den veränderten Anforderungen von Erzeugung und Verbrauch von Energie gerecht zu werden.
Blind- oder Regelleistung stellen künftig nicht mehr konventionelle Kraftwerke bereit. ENSURE zeigt Wege auf, wie dies auch über Erneuerbare-Energie-Anlagen im Verteilungsnetz zuverlässig erfolgen kann.
Um die Netzauslastung zu optimieren, hat ENSURE ein Schutzkonzept für den Netzbetrieb entwickelt. Das neue Konzept ist in der Lage, sich an die komplexen Einspeise- und Verbrauchssituationen anzupassen. Seine große Flexibilität ermöglicht eine bessere Netzauslastung. Mehr dazu gibt es hier.
Zuverlässige Sicherheitskonzepte sind für das zukünftige Stromnetz unverzichtbar. Im Rahmen von ENSURE wurde hierfür das Digital System Protection Design (DSPD) entwickelt, das die Planung und Anpassung von Schutzkonzepten und Schutzparametern in zukünftigen Netzstrukturen ermöglicht. Mithilfe von routinemäßigen und automatisierten Anpassungen der Schutzalgorithmen und Parameter lassen sich mit dem DSPD mit geringem Aufwand neue und flexible Betriebskonzepte realisieren.
Um das Stromnetz der Zukunft bauen zu können, sind auch neue Bauteile vonnöten. Bereits früh entwickelte das Projektteam innovative Umrichter, die den Wechsel von einer Spannung/Frequenz auf eine andere Spannung/Frequenz zu ermöglichen. Die Umrichter aus dem ENSURE-Projekt sind leichter, kleiner und günstiger als ihre Vorgänger.
Alle ENSURE- sowie die weiteren Kopernikus-Publikationen sind gesammelt und durchsuchbar in dieser Liste zu finden. Nachfolgend zudem eine Auswahl an wichtigen Infos aus dem Projekt.