08.07.2021 Ariadne

Wie die EU verhindern könnte, dass energieintensive Unternehmen in Länder mit schwachem Klimaschutz umsiedeln

Mitte Juli wird die Europäische Union ihr Gesetzespaket vorstellen, mit dem sie 55%-Ziel bis 2030 erreichen will. Klar ist dabei schon heute: CO2-Emissionen müssen teurer werden. Das Problem: Wenn die Kosten für den Klimaschutz steigen, besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Werke in Länder verlegen, in denen weniger strenge Umweltauflagen gelten. Daher hat das Kopernikus-Projekt Ariadne untersucht, wie die EU dieses Carbon Leakage genannte Problem vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten könnte.

Das Foto zeigt ein Werk der Zementindustrie von außen.
Foto: ©dmitrykobets - stock.adobe.com

Mit dem so genannten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) will die EU einen Ausgleich für energieintensive Branchen wie die Stahl- oder Chemieindustrie schaffen, die im internationalen Handel mit Unternehmen aus Ländern mit keinen oder weniger strengen Klimapolitiken konkurrieren. Denn wandern Industrien durch höhere CO2-Preise aus der EU ab, werden Emissionen nicht gesenkt, sondern lediglich verlagert – für den Klimaschutz wäre damit nichts gewonnen.

Um das zu vermeiden, kann die EU zwei Wege einschlagen: Entweder sie belegt Importe mit einem Grenzausgleich, also beispielsweise mit einer CO2-Steuer. Oder sie setzt beim Konsum an: Mit einer Verbrauchsabgabe würde eine Abgabe auf den CO2-Gehalt bei Endprodukten erhoben. Das beträfe dann nicht nur Importe, sondern auch heimische Produkte, nicht aber Exporte der EU in andere Länder. Jetzt stellt ein Kurzdossier aus dem Kopernikus-Projekt Ariadne die unterschiedlichen Wirkungen detailliert gegenüber.

Richtungsentscheidung: Strategie nach innen oder nach außen?

Studienautor Nils aus dem Moore vom RWI

„Unterm Strich läuft es auf eine fundamentale Frage hinaus: Will die EU sich mit einer Verbrauchsabgabe primär nach innen absichern oder setzt sie mithilfe eines Grenzausgleichs auf eine nach außen gerichtete Strategie und den internationalen Klimaschutz? Bislang gibt es zwar kaum empirische Nachweise für Carbon Leakage, im Zuge des European Green Deal stößt das bisherige Instrumentarium der freien Zuteilung von Zertifikaten jedoch an seine Grenzen. Es braucht neue Politikmaßnahmen, um die Industrie zunächst weiter zu schützen und sie zugleich fit zu machen für ein klimaneutrales Europa.“

Mit einer Verbrauchsabgabe würde die EU weltweite Unterschiede im klimapolitischen Ambitionsniveau gewissermaßen als unabänderlich akzeptieren und einen dauerhaften Wechsel hin zu einer vollständig konsumbasierten Emissions-Bepreisung im eigenen Markt vollziehen. Dabei geht sie dann gleichzeitig hohe Risiken im Hinblick auf Wohlfahrt und Lebensstandards in ihren eigenen Gesellschaften ein. Richtet sie ihre Strategie dagegen mit einem Grenzausgleich im engeren Sinne nach außen, riskiert sie zwar den Konflikt mit Handelspartnern wie etwa den USA oder China. Sie wirkt aber auch aktiv auf international abgestimmten Klimaschutz hin, um langfristig ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen zu erreichen.

Studienautor Kai Hufendiek von der Universität Stuttgart

„Die Strategie für ambitionierten Klimaschutz der EU ist auch eine Wette auf internationale Klimaschutzbemühungen und entsprechende gemeinsame Anstrengungen zur Zielerreichung – im Guten wie im Schlechten. Machen sich wichtige Akteure der Weltgemeinschaft nicht übereinstimmend auf den Weg hin zur Klimaneutralität, so werden zur Absicherung dieser Strategie geeignete Schutzinstrumente benötigt. Vorteilhafte Schutzinstrumente sind dabei die, die einerseits unnötig werden, sobald die anderen Akteure ihren Ankündigungen Taten folgen lassen und einen ähnlichen Weg zur Klimaneutralität einschlagen. Und die andererseits aber auch klare Wirkung entfalten, sollte es nicht so kommen. Das ist wichtig, damit die EU-Industrie in diesem Rennen gut aufgestellt ist.“

Studienautor Benjamin Görlach vom Ecologic Institute

„Unsere Studie zeigt, dass den kurzfristigen Risiken für die internationale Wettbewerbsfähigkeit mittel- bis langfristig erhebliche Chancen gegenüberstehen: zum Gesamtpaket für wirksamen Carbon-Leakage-Schutz gehören daher auch Instrumente, um klimafreundliche Innovationen zu fördern und Anreize zu schaffen für Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse. Dazu gehört auch eine stringente und glaubwürdige CO2-Bepreisung. So kann sich die Europäische Industrie für den Wettlauf um zukunftsfähige Technologien positionieren und gleichzeitig Nachzügler im internationalen Klimaschutz inspirieren.“

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