10.12.2025 Ariadne
Gebremster Ausbau der Erneuerbaren kann Kosten steigern
Ein reduzierter Ausbau der Erneuerbaren würde Strom deutlich verteuern, neue Importabhängigkeiten schaffen und Deutschlands Klimaziele gefährden. Ein neuer Ariadne-Report zeigt anhand modellgestützter Analysen, welche finanziellen, systemischen und klimapolitischen Risiken ein solcher Kurswechsel hätte und wie langfristige Planung gegenwirkt.
Der verminderte Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) in Deutschland hätte höhere Strompreise sowie stärkere Abhängigkeiten von Gaskraftwerken und Stromimporten zur Folge. Das belegen Forschende des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne in ihrem neuen Report. Anlass ist der vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Monitoringbericht zur Energiewende, der für 2030 weniger Strombedarf berechnet als bisher angenommen. Die Ariadne-Forschenden zeigen die Konsequenzen eines gebremsten Ausbaus auf und machen deutlich, dass ein Kurswechsel Deutschlands Klimaziele gefährden würde.
Während bei Inkrafttreten der Ziele Anfang 2023 im Erneuerbaren-Energie-Gesetz noch von einem Stromverbrauch von 680 bis 750 Terawattstunden im Jahr 2030 ausgegangen wurde, berechnet der neue Monitoringbericht einen Verbrauch von 600 bis 700 Terawattstunden. „Die Prognose eines geringeren Strombedarfs im Jahr 2030 lässt sich auf die nur langsam fortschreitende Elektrifizierung in den Sektoren Verkehr und Gebäude sowie den konjunkturbedingten Produktionsrückgang der Industrie in den letzten Jahren zurückführen“, erklärt Tom Brown von der Technischen Universität Berlin, ein Autor des jetzt vorgelegten Reports.
Mithilfe eines sektorgekoppelten Modells des deutschen Energiesystems aus dem Ariadne-Szenarienreport 2025 betrachten die Forschenden ein Szenario mit hoher Stromnachfrage von 722 bis 754 Terawattstunden pro Jahr und eines mit niedriger Stromnachfrage von 612 bis 644 Terawattstunden. Setzt man diese in Zusammenhang mit einer starken Reduktion des EE-Ausbaus um 30 Prozent, zeigt sich: Der Börsenstrompreis wäre 2030 um 20 Euro pro Megawattstunde höher als beim geplanten Ausbau. Der EE-Förderbedarf sinkt dann zwar um 7,0 bis 7,5 Milliarden Euro, die Gesamtkosten für die Stromkunden steigen jedoch um 9,5 bis 13,2 Milliarden Euro an. Fazit: Auch wenn ein reduzierter EE-Ausbau Förderung einspart, erhöhen sich die Ausgaben der Stromkunden, so dass die Kosten in Summe ansteigen.
Zusätzliche Emissionen und neue Importabhängigkeiten
Ein reduzierter Ausbau hätte je nach Strombedarfsszenario 19 bis 29 Megatonnen an zusätzlichen CO2-Emissionen zur Folge. „Bei einer Reduktion des EE-Ausbaus würde das Treibhausgasreduktionsziel ohne zusätzliche Maßnahmen wie eine verstärkte Elektrifizierung der Industrie sowie einen höheren Einsatz von Wärmepumpen und E-Fahrzeugen klar verfehlt“, ordnet Mit-Autor Michael Lindner von der Technischen Universität Berlin die Ergebnisse ein. Auch das Ziel, im Jahr 2030 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch EE zu decken, würde nur durch einen Ausbau auf hohem Niveau erreicht. Hinzu kämen neue Abhängigkeiten, denn neben steigenden Bedarfen an Erdgaskraftwerken bräuchte es mehr Gas- und Stromimporte. „In unmittelbarer Zukunft stehen hohe Investitionen an und es besteht die Gefahr, dass durch die steigenden Strompreise, die mit einer Reduktion der Ausbauziele einhergehen, Lock-In-Effekte eintreten. Das bedeutet: Werden in Industrie, bei Heizungssystemen und im Verkehr erneut Entscheidungen für fossile Technologien getroffen, zementiert das für die gesamte Dauer ihres Lebenszyklus den Rückgriff auf fossile Rohstoffe“, erklärt Co-Leiter des Kopernikus-Projekts Ariadne Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Zusätzlich könnten Flexibilisierungstechnologien, wie E-Fahrzeuge, Wärmepumpen oder Batterien kombiniert mit Erneuerbaren Energien,einen Teil des Leistungsbedarfs an neuen Erdgaskraftwerken ersetzen. Die Stromkosten würden dadurch sinken. Die Forschenden raten, den Einsatz dieser Stromspeicher zu priorisieren und einen regulatorischen Rahmen dafür zu schaffen. Dazu hätte der ursprünglich geplante Ausbau den Vorteil einer geringeren Luftverschmutzung durch fossile Energieträger. Anstatt kurzfristig umzuplanen, sollte Deutschland deshalb seine langfristigen Ziele im Blick behalten und die nötigen Weichen dafür stellen.