16.04.2021 P2X

„Für Tankstellen ist unsere Technologie ideal“

Wie sich Wasserstoff effizient und sicher mit organischen Trägerflüssigkeiten transportieren lässt: Interview mit Patrick Preuster auf der Hannover Messe zu Wasserstofftransport mit LOHC

Das Bild zeigt Patrick Preuster und eine Zeichnung des LOHC-Kreislaufs.
Mit Bildmaterial von: ©fotomek - stock.adobe.com

Bis 2050 will Deutschland klimaneutral sein – auch mithilfe von Grünem Wasserstoff. Um den herzustellen, braucht es erneuerbare Energie. Schon eine Fläche von 250 mal 250 Kilometern im wind- und sonnenreichen Australien würde ausreichen, um den gesamten derzeitigen Primärenergiebedarf des Planeten zu decken. Die Welt hat also kein Energieproblem. Sie hat ein Energieverteilungsproblem. Das gilt insbesondere für Deutschland. Die Sonne scheint hier verhältnismäßig selten, der Wind weht verhältnismäßig schwach. Schon heute ist daher klar: Deutschland wird Grünen Wasserstoff in großen Mengen importieren müssen. Aber gerade der Wasserstoff-Transport ist eine der größten Herausforderungen beim Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Herr Preuster, warum ist Wasserstoff-Transport ein so umstrittenes Thema und eines, bei dem es noch massiven Forschungsbedarf gibt?

Das hat gleich mehrere Gründe. Der wohl bekannteste Grund ist die hochexplosive Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff. Aber dafür gibt es sichere Transportmöglichkeiten. Hier wiegt ein anderes Problem deutlich schwerer: Wasserstoff hat pro Kilo zwar sehr viel Energie – aber diese Energie verteilt sich bei normaler Temperatur und normalem Druck auf sehr viel Raum: Ein Liter Wasserstoff enthält eine Energiemenge von gerade einmal 3 Wattstunden. 

Der Interviewte

Patrick Preuster ist Teamleiter „Chemische Wasserstoffspeicherung“ am Helmholtz-Institut für Erneuerbare Energien (HIERN). In P2X koordiniert er die Forschung zu LOHC. Für seine Promotion hat Preuster den ersten Dehydrierkatalysator miteinwickelt. Seit 2018 ist Preuster zudem Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich und dort Leiter eines Forschungsprojektes mit Fokus auf LOHC-Anwendungen in der Mobilität.

Wie wenig das ist, zeigt der Vergleich mit Diesel: Ein Liter Diesel hat eine Energiemenge von rund 10.000 Wattstunden. Ein Liter Diesel enthält also mehr als 3300mal so viel Energie wie ein Liter Wasserstoff. Das heißt etwas überspitzt: Wir brauchen Möglichkeiten Wasserstoff so zu transportieren, ohne dass wir gleich drei Tanklaster voll Wasserstoff brauchen, um einen Laptop einen Tag mit Strom zu versorgen. Allerdings ist sowohl der Transport unter hohem Druck als auch der tiefkalte Transport über weite Strecken kompliziert und teuer.

Im Kopernikus-Projekt P2X forschen Sie daher an einer Alternative, den sogenannten organischen Trägerflüssigkeiten, den LOHCs.

Die Idee ist ganz einfach. Mit Wind- und Solaranlagen produzieren erneuerbaren Strom, mit dessen Hilfe wir Grünen Wasserstoff herstellen. Dieser wird direkt nach der Erzeugung hydriert. Das heißt: Mithilfe eines Katalysators bringen wir den Wasserstoff in Kontakt mit einer Trägerflüssigkeit, einem sogenannten LOHC, also einem Liquid Organic Hydrogen Carrier. Ist das LOHC mit Wasserstoff beladen, heißt es LOHC+. Und das kann ich jetzt ganz einfach transportieren. Mit Transportmitteln, die wir alle kennen. Ich kann das LOHC+ mit einem Tank-Wagen transportieren oder mit einem Öl-Schiff oder in speziellen Öltanks. Entsprechend kann die bereits bestehende Infrastruktur für flüssige Kraftstoffe verwendet werden. Am Zielort angekommen, muss ich den Wasserstoff dann wieder von unserem LOHC+ lösen. Dafür brauchen wir sogenannte Dehydrierkatalysatoren. Ist der Wasserstoff vom LOHC befreit, kann ich ihn wieder ganz normal nutzen. Das LOHC kann ich anschließend erneut verwenden, es wird durch das Be- und Entladen nicht verbraucht. Es ist also quasi wirklich nur ein Transportmittel für den Wasserstoff.

Screenshot Live-Stream auf der Hanover Messe mit Patrick Preuster und simultaner Übersetzung in Gebärdensprache und Fließtext. 

Jetzt haben Sie gerade auch die Platz-Problematik von Wasserstoff angesprochen: Wenig Energie braucht beim Wasserstoff viel Raum. Inwiefern soll LOHC hier eine Lösung sein?

Unsere LOHC können viel Wasserstoff auf sehr wenig Raum binden. In einen Liter LOHC passen insgesamt 600 Liter Wasserstoff.

Gerade haben Sie gesagt: Es gibt mehrere LOHCs. Ist es da egal, welche ich benutze?

Ja und nein. Sie alle funktionieren ähnlich. Aber nicht alle sind gleich gut geeignet. Wir im Kopernikus-Projekt P2X haben früher beispielsweise mit Dibenzyltoluol gearbeitet und arbeiten jetzt mit Benzyltoluol. Benzyltoluol ist leichter zu handhaben als sein großer Bruder, das Dibenzyltoluol. Denn bei niedrigen Temperaturen ist es weniger zähflüssig.

Die Veranstaltung

Die Hannover Messe ist die wichtigste Deutsche Industrie-Schau zu Themen der industriellen Transformation und eine der größten Industriemessen weltweit. Im vergangenen Jahr musste die Hannover-Messe wegen der Corona-Pandemie ausfallen, in diesem Jahr findet sie statt – allerdings ausschließlich digital. Rund 1800 Aussteller haben sich für das Format angemeldet. P2X war auf der Hannover Messe mit einem digitalen Stand vertreten und einem Live-Stream vertreten.

Daneben sind allerdings noch andere Faktoren wichtig. Zum Beispiel die Frage: Ist mein LOHC umweltschädlich, laut Definition ein Gefahrgut? Oder ist es leicht brennbar? Das ist bei Benzyltoluol nicht der Fall. Wasserstoff, das hoch explosive, flüchtige Gas, ist gebunden an LOHC nicht einmal mehr leicht entflammbar. Sogar mit einem Bunsenbrenner passiert nichts. Das ist natürlich ideal.

Wichtig sind ansonsten aber auch noch andere Fragen, vor allem: Wie viel Energie brauche ich für das Be- und Entladen meines LOHC? Gerade der letzte Punkt ist ganz entscheidend: Die LOHC-Technologie hilft uns, erneuerbare Energie ohne große Risiken zu transportieren. Aber das ist nur sinnvoll, wenn durch den Transport selbst möglichst wenig Energie „verloren“ geht.

Herr Preuster, wenn man Sie so reden hört, bekommt man das Gefühl: Die LOHC-Technologie sei bereits einsatzbereit. Woran forschen Sie dann gerade noch im P2X-Projekt?

In der ersten Phase des Projekts ist es uns gelungen, einen Dehydrier-Katalysator zu entwickeln, der große Mengen gebundenen Wasserstoffs freisetzen kann und dabei ohne viel Edelmetall auskommt. Der P2X-Katalysator ist so erfolgreich, dass unser Partner, die Clariant AG, ihn mittlerweile sogar auf den Markt gebracht hat. Elemax D101 heißt er.

Wir wissen zwar, dass die LOHC-Technologie funktioniert. Aber jetzt müssen wir zeigen, dass sie auch im großen Maßstab funktioniert. Bisher gibt es vor allem kleinere Testanlagen. Wichtig ist jetzt, dass wir noch weit größere Anlagen bauen, testen und auf den Markt bringen. Allerdings steht die LOHC-Technologie bisher eben doch relativ am Anfang.

In P2X beschäftigen wir uns gerade mit einer möglichen Weiterentwicklung der LOHC-Technologie. Wir wollen hier in Erlangen die erste Wasserstoff-Tankstelle bauen, die direkt vor Ort Wasserstoff aus LOHC+ löst und dann mit 700 bar in Wasserstoff-Fahrzeuge vertankt. In einem anderen Projekt entwickeln wir gerade eine Technologie, um Züge mit LOHC zu betanken.

Das klingt alles sehr vielversprechend. Aber LOHC ist eben nur eine Wasserstoff-Transportmöglichkeit von vielen. Wo, glauben Sie, wird LOHC sich durchsetzen?

Auf kurzen Distanzen, auf denen große Mengen Wasserstoff transportiert werden müssen, sind wahrscheinlich Pipelines die beste Lösung. Deswegen ist LOHC vor allem dort interessant, wo weite Strecken überwunden werden müssen. Oder dort, wo die Handhabung mit gasförmigem Wasserstoff nur relativ schwer beziehungsweise mit großem Aufwand umsetzbar wäre. Das gilt beispielsweise für Tankstellen. Für eine klassische Wasserstofftankstelle sind enorme Umbauten notwendig. Für eine LOHC-Tankstelle könnte ich bestehende Infrastruktur neu nutzen.

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