11.09.2023 Kopernikus-Projekte

Interview zum neuen Report - „Akzeptanz lässt sich nicht erzwingen“

Akzeptanz ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Energiewende. Die projektübergreifende Kopernikus-AG Akzeptanz hat deshalb sozialwissenschaftliches Grundlagenwissen zu Akzeptanz und Partizipation und einen Erfahrungsschatz aus mehr als sechs Jahren Kopernikus-Forschung in einem neuen Report zusammengestellt. Katharina Ebinger fasst im Interview die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Das Bild zeigt mehrere Menschen, die in einer Reihe stehen und verschwimmen, weil im Vordergrund ihre erhobenen Daumen als Symbol für Zustimmung zu sehen sind.
© lev dolgachov – stock.adobe.com

Die AG Akzeptanz hat drei Jahre intensiv an verschiedenen Themen gearbeitet. Was stand dabei im Fokus?

Akzeptanz in der Breite ist grundlegend notwendig, damit die Energiewende gelingen kann. Daher darf Technologieentwicklung nicht in einem „Vakuum“ stattfinden. Die technologisch besten Lösungen können auf Ablehnung stoßen, wenn das Erfahrungswissen und die Lebenswelt von Menschen nicht einbezogen wird. Weil Technik nie kontextfrei, sondern immer in eine Gesellschaft eingebettet ist, hat die Energiewende auch eine stark soziale Seite. Damit hat die AG Akzeptanz sich tiefgreifend beschäftigt. Unser Ziel ist, für eine integrative Sicht auf die sozial-ökologischen Veränderungsprozesse zu sensibilisieren.

Welche drei Ergebnisse oder Erkenntnisse würden Sie dabei hervorheben?

Erstens: Akzeptanz lässt sich nicht erzwingen. Aber Menschen können in Partizipationsprozessen ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen, um Lösungen noch passender zu gestalten. Dann können sie zu Multiplikatorinnen werden, und die breite Akzeptanz wächst organisch.

Zweitens: Wenn Lösungen bereits da sind und auf ihre Einführung warten, ist der Zeitpunkt verpasst, Menschen dafür zu begeistern. Das fühlt sich für viele dann so an, als würden sie vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Da kann sogar gelten, wenn diese Tatsachen bestimmte Verbesserungen mit sich bringen. Macht aber eine gute Kommunikation die Innovationen schon während ihres Entstehungsprozesses begreifbar und nimmt Partizipation Sichtweisen, Wissen und Bedürfnisse der Menschen ernst, erhöht das die Chance, dass die Gesellschaft Lösungen überzeugt mitträgt.

Drittens: Partizipation ist immer mehr als Information und/oder Wissenschaftskommunikation. Es geht darum, gemeinsam Optionen zu schaffen und mitentscheiden zu lassen.

Sind Sie bei Ihrer Arbeit auch auf typische Missverständnisse zum Thema Akzeptanz gestoßen?

Akzeptanz lässt sich weder herbeiargumentieren noch garantieren. Menschen sind frei, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Daher spielt gegenseitige Lernbereitschaft eine große Rolle. Eine solide Beteiligung von Anfang an hält nicht auf, sondern hilft eher beim Beschleunigen, weil späte Konflikte den Prozess viel mehr verzögern. 

Lässt sich denn eine Tendenz ablesen, was die Akzeptanz der Energiewende angeht? Und wenn ja: Wie deuten Sie diese?

Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende des Kopernikus-Projekts Ariadne untersucht die Akzeptanz der Energiewende jährlich als bundesweit repräsentative Online-Panelbefragung. Hier zeichnet sich zum einen steigende Zustimmung ab, dass die Energiewende sinnvoll und notwendig ist. Zum anderen aber auch der Anspruch an die Politik, stärker die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass dies dem Tempo und einer sozial gerechten Transformation nutzt.

Impressionen aus Dialogformaten
©Kopernikus-Projekt Ariadne/Christian Laukemper

Lässt sich denn eine Tendenz ablesen, was die Akzeptanz der Energiewende angeht? Und wenn ja: Wie deuten Sie diese?

Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende des Kopernikus-Projekts Ariadne untersucht die Akzeptanz der Energiewende jährlich als bundesweit repräsentative Online-Panelbefragung. Hier zeichnet sich zum einen steigende Zustimmung ab, dass die Energiewende sinnvoll und notwendig ist. Zum anderen aber auch der Anspruch an die Politik, stärker die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass dies dem Tempo und einer sozial gerechten Transformation nutzt.

Das klingt grundsätzlich positiv. Doch auch Kritik und Krisen sind allgegenwärtig, wenn es um die Energiewende geht. Wie bewerten Sie das?

Wenn wir über Kritik sprechen, möchte ich gern zwei Arten voneinander abgrenzen. Wir alle sollten Kritik begrüßen, die Zugänge zu Erfahrungswissen, Lebenswelten und Bedürfnissen erleichtert. Sie trägt zu einem Dialog im Sinne eines gemeinsamen Lernprozesses bei. Insbesondere mit Blick auf Social Media kennen wir natürlich auch jene Kritik, die den wissenschaftlichen Konsens des Klimawandels leugnet. Beim genauen Hinschauen stellt sich leider in den meisten Fällen heraus, dass die Wurzel solcher Kritik undemokratische Ideologien sind, etwa populistischer Rechtsextremismus.

Während erstere Kritik durch qualitativ hochwertige und ernst gemeinte Beteiligung zu einer Verbesserung des Transformationsprozesses beiträgt, kann zweitere Kritik in herkömmlichen Beteiligungsprozessen keinen Platz als „Meinung“ finden. Hier ist Demokratiebildung und Extremismusprävention gefragt.

Haben Sie Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Kritik erarbeitet?

Ja. In ENSURE haben Forschende interviewbasiert Qualitätskriterien für eine erfolgreiche Konfliktkommunikation erarbeitet. Dabei stehen transparente Beteiligungsprozesse mit professioneller, neutraler Moderation, eine neutrale Ortswahl und Sprache und Verständlichkeit ganz oben. Auch Face-to-Face-Formate halten wir für sehr wichtig, wobei der Ausbau hybrider Formate zu begrüßen ist.

Und wie fällt das Resümee aus: Fehlt noch etwas in Sachen Akzeptanzforschung, wo Sie Handlungsbedarf sehen?

Wir haben ja speziell auf den Kontext der Arbeit und Ziele der Kopernikus-Projekte geschaut und Akzeptanzforschung stets in diesem Zusammenhang betrachtet. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Kopernikus-Projekte einen transdisziplinären Ansatz noch nicht systematisch in der Gesamtplanung und den Einzelprojekten umsetzen. Bisher orientieren sich lediglich einzelne Arbeitspakete an diesem. Es wäre von Vorteil, ein substanzielles Verständnis und gemeinsame Standards für Ko-Design und Partizipation projektübergreifend zu entwickeln. Mit dem Transfer in die Praxis in der dritten Projektphase und mit Kommunen als räumlichen Bezugspunkt ergeben sich hieraus große Potenziale.

Um eine Kultur der Partizipation systematisch in den Kopernikus-Projekten zu verankern, braucht es Lernräume. Diese geben Projektteilnehmenden Anreize, sich in die Anforderungen eines inter- und transdisziplinären Ansatzes reinzudenken. Dieses reflexive „Meta-Lernen“ erfordert eine neue Praxis, neue explizite Rollen in der Prozessteuerung, Räume und Routinen.

Mögliche Ansätze können beispielsweise Weiterbildungen, kollegiales Coaching, projektübergreifende Reflexions-Workshops und ein On-Boarding für Hinzukommende sein.

Katharina Ebinger ©S. Welt

Zur Person

Katharina Ebinger

...ist Politikwissenschaftlerin mit einem Forschungsschwerpunkt in den Feldern sozial-ökologische Transformation, Transdisziplinarität, Urbanismus und Partizipation. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende und dem NABU e.V. organisierte sie zunächst die Stakeholder-Beteiligung für das Kopernikus-Projekt SynErgie in der Energieflexiblen Modellregion Augsburg. Zuletzt koordinierte sie die Kopernikus-übergreifende AG Akzeptanz.

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